11.Dezember 2016
Junghundeerkrankungen
Teil 2
Ellenbogengelenksdysplasie
Auch die Ellenbogengelenksdysplasie, ab jetzt werde ich sie der Einfachheit halber nur noch
ED nennen, ist eine Hundeerkrankung die sich bereits in den ersten Lebensmonaten
entwickelt.
Meist entsteht sie im 4.-5. Lebensmonat während des größten Wachstumsschubes.
Es besteht auch hier wieder eine genetische Disposition (vererbte Veranlagung)
bestimmter,groß werdender und schnell wachsender Rassen.
Begünstigt wird die Entstehung der ED durch Fütterungs- und Bewegungseinflüsse
( zu energiereiche Fütterung und unangepasste Bewegung im Welpenalter).
Oft besteht eine intermittierende (wechselnde) Lahmheit. Da der Hund immer wieder
lahmfreie Phasen hat wird die Erkrankung oft nicht ernst genommen.
„Das hat der schon mal. Ist nicht schlimm...Das hört wieder auf“ Zitat Ende
Um die verschiedenen Erkrankungen am Ellenbogengelenk ( ja, es gibt mehrere und es wird
ein längerer Artikel :-)) verständlich machen zu können, müssen wir uns erst einmal die
Anatomie genauer anschauen.
Ich weiß...die meisten finden Anatomie langweilig (mir geht es da ja anders ) aber was sein
muss,muss sein. Geht auch ganz schnell...Tut auch gar nicht weh...
Das Ellenbogengelenk setzt sich aus 3 Knochen zusammen:
2. Ulna (Elle)
3. Radius (Speiche)
An seinem unteren Ende besitzt der Humerus eine Walze mit einer Furche.
Ulna und Radius müssen diese eng und passgenau umschließen.
Am oberen Ende der Ulna befindet sich ein Fortsatz,
der Processus anconeus.
Dieser ragt von hinten in das Ellenbogengelenk
hinein,läuft in der Furche der Humeruswalze
und sorgt für die Stabilität.
Noch ein, aber kleinerer, Fortsatz sitzt an der
Innenseite der Ulna.
Dieser Processus coronoideus befindet sich
somit innerhalb des Gelenks.
Das Ellenbogengelenk wird von einer Gelenkkapsel umschlossen und durch Muskeln und
Bänder stabilisiert.
Es ist sehr wichtig, das alle beteiligten Knochen gleich schnell wachsen,,damit die nötige
Passgenauigkeit für die Stabilität des Ellenbogengelenks zustande kommt.
Für die ED sind hauptsächlich 3 Erkrankungen verantwortlich. Diese können einzeln, aber
auch in Kombination miteinander auftreten.
1. FPC (Fragmentierter Processus coronoideus)
- Oft sind großwüchsigen Rassen, wie Berner Sennenhund,Rottweiler,Golden Retriever,
Deutscher Schäferhund, Neufundländer usw., betroffen
- FPC entsteht zwischen dem 4. und 5. Lebensmonat
- Erste Lahmheit oft zwischen 4. und 7. Lebensmonat
- Lahmheit oft nach Ruhe oder stärkerer Belastung deutlicher sichtbar.
- Oft wird, im Stand, der Ellenbogen adduziert (zur Körperachse hin) und die Pfote nach
außen gedreht gehalten
- Tritt oft zusammen mit OCD auf
- Meist sind beide Ellenbogengelenke betroffen
Der FPC ist die am häufigsten vorkommende orthopädische Hundeerkrankung.
Bei dieser Erkrankung wächst der Radius langsamer als die Ulna und ist somit etwas
kürzer geraten.
Dadurch entsteht eine Stufe in der Gelenkfläche und es kommt zu einer Instabilität.
Diese Instabilität führt zu einer Druckbelastung der Humeruswalze auf den kleinen
Knochenfortsatz an der Innenseite der Elle (Processus coronoideus) und dadurch zu
einer verminderten Blutzufuhr und Versorgung des Knochens.
Das wiederum führt zu kleinen Rissen und Absprengungen von Knochenstücken des
Processus coronoideus.
Diese abgesprengten Knochenstückchen können sich beim Laufen verschieben oder
verdrehen und das verursacht dann, je nach Lage, große Schmerzen.
Rutscht das Knochenstückchen wieder an seinen Platz,ist die Lahmheit verschwunden.
Deshalb ist der Hund bei dieser Erkrankung mal hochgradig lahm und mal lahmfrei.
Wir können das vergleichen mit einem Steinchen im Schuh.
Je nach Lage macht es keine Probleme oder ist wirklich unangenehm, so das wir nicht mehr
laufen können.
Was machen wir dann??? Wir ziehen den Schuh aus und entfernen das Steinchen.
Dasselbe passiert dann bei einer Operation. Die abgesprengten Knochenteilchen werden
aus dem Gelenk entfernt.
Die OP sollte so früh wie möglich erfolgen um Schmerzen, Entzündungen und nachfolgende
Arthrosen weitestgehend zu verhindern.
2. IPA (Isolierter Processus anconaeus)
- Kommt häufig beim Deutschen Schäferhund vor, aber auch Bassets, Belgische
Schäferhunde, Weimaraner, Mastiff, Bernhardiner, Irische Wolfshunde und Deutsche
Dogggen sind betroffen
- Kann einseitig oder an beiden Ellenbogen auftreten
- Beginn zwischen dem 4. und 5. Lebensmonat
- Im Stand wird die erkrankte Gliedmaße im Oberarm adduziert (zur Körperachse hin) und
einwärtsgedreht und der Unterarm in auswärtsgedreht gehalten
- oft ist das Gelenk vermehrt mit Gelenksflüssigkeit gefüllt und schmerzhaft
- Das Auftreten der ersten Symptome ist unterschiedlich
- Ein- oder beidseitige,ständige oder zeitweise Lahmheit unterschiedlicher Stärke (also nicht leicht
zu diagnostizieren)
- Bei nur einseitiger Erkrankung bemerkt der Besitzer die Lahmheit oft eher, da sie dann
deutlicher zu sehen ist
Bei der Anatomie des Ellenbogengelenks hatte ich schon den Processus anconaeus
vorgestellt. Das war der Fortsatz an der Ulna, der von hinten in das Gelenk hineinragt.
Er ist das Gegenlager zur Oberarmwalze (ihr erinnert euch an die Furche in der Walze??)
und sorgt für die Stabilität des Ellenbogengelenks.
Erst im Alter von 4-5 Monaten verwächst dieser fest mit der Ulna. Vorher haben Ulna und
der PA (Processus anconaeus) nur eine knorpelige Verbindung.
Der isolierte Processus anconaeus entsteht wenn durch unterschiedliches Längenwachstum
von Radius und Ulna die Verwachsung ausbleibt.
Dabei wächst die Ulna entweder langsamer oder hört früher auf zu wachsen.
Der Radius wird somit länger und drückt mit seinem oberen Ende gegen die Humeruswalze.
Dieser Druck wird von der Walze an den PA weitergegeben und verhindert damit das
Zusammenwachsen mit der Ulna.
Dadurch wird das gesamte Ellenbogengelenk instabil.
Das Knochenstück kann noch bindegewebig mit der Ulna verbunden sein oder lose im
Gelenk liegen.
Im letzteren Fall kommt es durch die Reibung während der Bewegung zu deutlicher Lahmheit
und ausgeprägter Arthrose.
Es gibt für den IPA verschiedene Operationsmöglichkeiten:
- Im Alter vom 5.-7. Lebensmonat kann man versuchen das lose Knochenstückchen
anzuschrauben. Dabei muss die Ulna durchtrennt werden um eine angepasste Länge
zu bekommen. In bestimmten Fällen reicht auch ein Durchtrennen der Ulna aus damit
der PA von alleine anwachsen kann.
- Vollständige Entfernung des PA bei deutlicher Arthrose. Diese Methode hat allerdings
eine schlechte Langzeitprognose weil durch die Entfernung das gesamte
Ellenbogengelenk instabil wird.
- Bei Junghunden (3.-4. Lebensmonat) kann man versuchen das ganze konservativ
zu behandeln. Durch Käfigruhe, Schmerzmittel und Physio kann eventuell der PA noch
von alleine anwachsen. Ist dies allerdings innerhalb von 2-3 Wochen nicht passiert
(Röntgenkontrolle) muss dringend operiert werden.
Auch hier kann man wieder sehen, wie wichtig eine frühzeitige Diagnose und schnelles
Handeln sind.
3. OCD (Osteochondrosis dissecans)
- auch hier sind wieder die großen,schnell wachsenden Rassen betroffen wie
Deutscher Schäferhund, Neufundländer, Deutsche Doggen usw.
Besonders aber (bei alleinigem Vorliegen von OCD)der Labrador und der
Golden Retriever
- Tritt oft zusammen mit FPC oder IPA auf
- Die OCD wird begünstigt durch zu energie-,eiweiß- und/oder
kalziumreiche Ernährung.
- Auch hier liegt der Beginn der Erkrankung im 4.-5. Lebensmonat
- Meist sind beide Ellenbogengelenke betroffen
- Intermittierende bis hochgradige Lahmheit (Beginn am häufigsten zwischen dem
7. und 12. Lebensmonat)
- Manchmal tritt auch nur eine Steifigkeit nach dem Liegen auf
(bei alleinig vorliegender OCD)
- Der Oberarm wird im Stand oft in Adduktion gehalten und die Pfote nach außen gesdreht
- Beim Laufen wird die Gliedmaße in Circumduktion (Rotation)nach vorne geführt
- Oft ist eine Einschränkung der passiven Flexion (Beugung) und Extension (Streckung)
des Ellenbogengelenks vorhanden
Osteochondrosis = Störung der Umwandlung von Knorpel zu Knochen
Dissecans = Ablösung
Die OCD erfolgt durch eine gestörte Zelldifferenzierung. Oft wird diese begünstigt
durch falsche ( zu energiereich,zu eiweißreich und/oder zu kalziumreiche) Fütterung im
Welpenalter. Der Knorpel wächst zu dick, durch mechanische Beanspruchung entstehen
Risse am Übergang zum gesunden Knorpel und es lösen sich Knorpelschuppen, medial
am unteren Ende des Humerus, ab.
OCD kann auch am Schultergelenk, seltener im Knie- oder Sprunggelenk vorkommen.
Anfangs ist der abgelöste Knorpel auf dem Röntgenbild nicht zu sehen. Erst wenn er
kalzifiziert kann man ihn als feine,weiße Linie erkennen.
Außerdem macht er als Knorpel (weich) nicht so große Probleme wie eine kalzifizierte
(harte) Knorpelschuppe.
Je nach Lage können diese losen Schuppen dann große Schmerzen verursachen oder
auch vollkommen symptomlos sein.
Das erklärt warum sich Phasen hochgradiger Lahmheit mit lahmfreien Phasen abwechseln.
Dies führt dann wieder mal dazu, daß die Erkrankung nicht ernst genommen wird.
Der Besitzer „gewöhnt“ sich an die gelegentlich auftretende Lahmheit.
Oft wir das gelegentliche Lahmen auf das Wachstum geschoben und erst einmal abgewartet.
Das kann aber auch hier fatale Folgen haben.
Die lose Knorpelschuppe kann dauerhafte Schäden anrichten und zu chronischen
Entzündungen und Arthrosebildung führen.
Auch hier wird bei der OP die lose Knorpelschuppe entfernt.
Je eher die OP erfolgt, desto besser die Prognose.
Nach erfolgter Operation oder bei bereits bestehenden Arthrosen und/oder
Entzündungen haben sich folgende Therapien aus meiner Praxis bewährt.
→ zur Schmerzlinderung und Wiederherstellung
der Beweglichkeit
Physiotherapie
→ zum Muskelaufbau
→ als Schmerztherapie und zur Wiederherstellung des physischen und psychischen
Gleichgewichts
→ in akuten entzündlichen Phasen und bei Arthrosen
zur längerfristigen Schmerzlinderung ohne
Medikamente
Falls ihr noch Fragen zu den verschiedenen Operationsmöglichkeiten habt wendet euch bitte
an eure Klinik / euren Tierarzt des Vertrauens.
Bei Fragen über die verschiedenen Therapiemöglichkeiten dürft ihr euch
selbstverständlich gerne an mich wenden.
Bis bald und immer gesunde, glückliche Tiere wünscht euch,
eure Stephie